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Resilienz

Stress, Druck, Veränderungen, Belastungen. Was manche in die Knie zwingt, stecken andere einfach weg. Wie wir auf belastende Situationen reagieren, hängt von wenigen Persönlichkeitsmerkmalen ab.
Resilienz beschreibt die von Mensch zu Mensch unterschiedliche Fähigkeit, mit Druck, Stress und Belastungen, mit Ungewissheit, Veränderungen und Rückschlägen umzugehen. Es handelt sich um eine mentale Fähigkeit, die umgangssprachlich mit psychischer Widerstandsfähigkeit übersetzt werden kann. Wenn Menschen andere Personen beschreiben, die aus ihrer Sicht über eine sehr hohe Resilienz verfügen, werden häufig diese Eigenschaften genannt: selbstbewusst, gelassen, humorvoll, menschlich, zuversichtlich, zielorientiert, intelligent und selbstreflektiert. Eine hohe Resilienz zeigt sich also nicht nur in herausfordernden Situationen, sondern auch im normalen Leben.


In der Psychologie werden diejenigen Menschen als resilient bezeichnet, die psychisch widerstandsfähig sind. Resilienz wirkt wie ein "seelisches Immunsystem", das hilft, Krisen durchzustehen oder sogar gestärkt daraus hervorzugehen.
Resiliente Personen reagieren unempfindlicher auf psychische Belastungen wie Stress oder Frust und handeln flexibler in schwierigen und sich ändernden Situationen. Die psychische Widerstandskraft ist bei Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt und lässt sich trainieren.

 

Die sieben Faktoren der Resilienz

Die US-Forscher Karen Reivich und Andrew Shatté von der University of Pennsylvania haben in ihrem Buch "The Resilience Factor" zum ersten Mal sieben entscheidende Faktoren beschrieben, die einen hoch resilienten Menschen ausmachen. Auch wenn die Bezeichnungen dieser Faktoren nicht immer identisch sind, lassen sie sich in den meisten wissenschaftlichen Publikationen wiederfinden. Diese Faktoren sind nichts anderes als die oben genannten Persönlichkeitsmerkmale hoch resilienter Menschen:

  •     Emotionsteuerung
  •     Impulskontrolle
  •     Kausalanalyse
  •     Selbstwirksamkeit
  •     Empathie
  •     Realistischer Optimismus
  •     Zielorientierung

Emotionssteuerung: Emotionssteuerung beschreibt die Fähigkeit, unter Druck ruhig zu bleiben. Resiliente Menschen nehmen ihre Gefühle bewusster wahr als andere, erkennen diese und können sie durch unterschiedliche Verhaltensweisen und Techniken steuern. Meist geschieht das unbewusst. Sie können dies auch, wenn sie sehr große persönliche Herausforderungen zu bewältigen haben oder schwere Rückschläge erleben. Ihre Leistungsfähigkeit wird entsprechend nur wenig durch ihre Emotionen beeinträchtigt.

Impulskontrolle: Darüber hinaus beschreibt dieser Faktor die Fähigkeit, sich in einem immer komplexer werdenden Arbeitsumfeld über einen längeren Zeitraum auf eine Aufgabe zu konzentrieren und nicht permanent, etwa von eingehenden E-Mails, ablenken zu lassen. Menschen mit hoher Impulskontrolle haben eine klare Strategie, um Ziele zu erreichen, planen im Voraus, folgen nicht gleich ihren ersten Impulsen und geben in der Regel seltener auf, wenn etwas nicht gut läuft. Sie bringen Dinge zu Ende und erleben darüber eine große Zufriedenheit. Sie sind also vor allem diszipliniert.

Kausalanalyse: Kausalanalyse beschreibt die Bereitschaft, ein Problem, zeitlich und inhaltlich, gründlich und treffend zu analysieren. Diese Fähigkeit hilft Menschen dabei, den selben Fehler nicht zu wiederholen und nicht zu früh aufzugeben – also ihre Ressourcen zu verschwenden. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn sie auf der Basis dieser Analyse die Gründe für Erfolge und Misserfolge treffend einschätzen können.
Wenn jemand für Rückschläge immer sich selbst die Schuld gibt und Erfolge immer auf den Zufall zurückführt, wird dies kaum zu Motivation und positiven Gefühlen führen.

Selbstwirksamkeit: Selbstwirksamkeit beschreibt unseren Wunsch, Herausforderungen anzunehmen, und unsere Überzeugung, dass wir durch unser eigenes Handeln Dinge verändern können. Menschen mit hohen Werten bei diesem Faktor erwarten, dass sie Dinge gut machen werden und engagieren sich entsprechend intensiv, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Sie bevorzugen statt Routinetätigkeiten solche Aufgaben, die sie herausfordern, auch wenn dies erst einmal mit einer erhöhten Anspannung verbunden ist.

Realistischer Optimismus: Realistischer Optimismus beschreibt die Überzeugung, dass sich Dinge zum Guten wenden können und werden. Er beschreibt außerdem die Fähigkeit, auch in sehr schwierigen Situationen eine Sinnhaftigkeit und etwas Positives zu sehen und zu entdecken: Das Glas ist in der Regel halb voll und nicht halb leer. Realistisch optimistische Menschen zeigen entsprechend viel Nachsicht mit ihren Mitmenschen. Wirklich resiliente Menschen schätzen aber gleichzeitig die Realität treffend ein, sind also nicht übertrieben optimistisch. Denn unrealistischer Optimismus kann im Gegenzug dazu führen, dass Risiken falsch eingeschätzt und somit falsche Entscheidungen getroffen werden.

Empathie: Empathie beschreibt die Fähigkeit, sich auf der Basis von beobachtetem Verhalten in die psychische und emotionale Lage eines anderen Menschen zu versetzen. Empathische Menschen fühlen mit. Vielen fällt dies leichter, wenn sie schon einmal eine vergleichbare Situation wie ihr Gegenüber erlebt haben. Empathie hilft uns, mehr Verständnis für unser Gegenüber aufzubringen und ist zum Beispiel für Menschen, die häufig im Kundenkontakt stehen, äußerst hilfreich und eine wichtige Voraussetzung für eine effektive Emotionssteuerung.

Zielorientierung: Dieser Faktor wird von Reivich und Shatté als "Reaching-Out" bezeichnet und ist mit Zielorientierung nur unzureichend übersetzt. Im Deutschen gibt es keinen Begriff, der diesen Resilienzfaktor besser beschreibt. Zielorientierung ist ein Maß dafür, wie gerne sich ein Mensch neue Ziele setzt und diese, überwiegend unabhängig von der Meinung Anderer, verfolgt und umsetzt.
Menschen mit hohen Werten beim Faktor Zielorientierung sind überzeugt, dass sie einen guten Job machen, sind neugierig und haben ein klares Bild von dem, was sie erreichen möchten. Sie unternehmen selbstbewusst, gelassen und konsequent die notwendigen Schritte, um ihre Ziele zu erreichen und verfallen eher selten in Tagträumereien. Sie sind auch nicht mit getriebenen Menschen zu vergleichen, die ihre Erfolge nie genießen können und sich eher kopflos von einer Herausforderung in die nächste stürzen. Denn dies sind häufig diejenigen, die im Laufe ihrer Karriere an einer Erschöpfungsdepression, also einem Burnout erkranken.

 

Der Resilienzquotient (RQ)
Die Werte eines Menschen bei den einzelnen Faktoren können mit Hilfe von Fragebögen ermittelt werden. Das von Reivich und Shatté entwickelte „Resilience Factor Inventory“ (RFI) ermöglicht es darüber hinaus, auf der Basis der Werte und analog zum Intelligenzquotient (IQ) den Resilienzquotient (RQ) zu bestimmen und mit den Werten einer Gesamtstichprobe zu vergleichen.
Der RQ ist auch deshalb mit dem IQ vergleichbar, weil ein hoher Wert nicht automatisch etwas Gutes bedeutet. IQ oder RQ sind immer auf der Basis des Umfelds der Person und weiterer Persönlichkeitsmerkmale zu betrachten. Entsprechend ist mittlerweile bekannt, dass eine sehr hohe Intelligenz wie ein Fluch sein kann. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn eine Person nicht richtig gefördert wird. Gleichzeitig kann aber eine sehr niedrige Intelligenz kaum als etwas Positives angesehen werden. Mit der Resilienz verhält es sich ähnlich.

 

Wann Resilienz zum Problem wird
Jeder Mensch benötigt ein gewisses Maß an Resilienz, um mit den unvermeidbaren Widrigkeiten des Lebens zurechtzukommen. Genau wie bei der Intelligenz trägt auch die Mehrzahl der Menschen diese Fähigkeit bereits in sich. Problematisch kann es werden, wenn die Resilienz zu niedrig ist oder der hohe Wert auf einem einzelnen Faktor nicht zum beruflichen Umfeld der Person passt.
Ein hoher Wert auf dem Faktor „Kausalanalyse“ bedeutet zum Beispiel, dass jemand Problemsituationen sehr gründlich analysiert, bevor er eine Entscheidung trifft. Dieser Wert zeigt auch eine entsprechende Korrelation mit der Persönlichkeitsdimension „Gewissenhaftigkeit“. Sobald nun aber eine Person in einer hohen Managementposition arbeitet, muss sie lernen, schnell Entscheidungen zu treffen. Die Analysearbeit übernimmt dann in der Regel ein Team von Mitarbeitern. Auf der Basis dieser Arbeit trifft die Führungskraft Entscheidungen.
Eine Führungskraft, die sich hier nicht entsprechend ändert, wird dann in der Regel als „Mikromanager“ oder entscheidungsfaul bezeichnet und in den allermeisten Fällen an einem zu hohen Wert beim Faktor „Kausalanalyse“ scheitern. Dies wird aber auch sehr häufig die Führungskraft tun, die nur intuitiv und aus dem Bauch heraus entscheidet, also niedrige Werte bei diesem Faktor aufweist.

 

Fazit
Die von Karen Reivich und Andrew Shatté identifizierten Faktoren ermöglichen es, die Resilienz eines Menschen zu bestimmen und zu beschreiben. Diese Faktoren sollten aber immer im Zusammenhang mit der besonderen Umgebung beziehungsweise der beruflichen Situation gesehen werden. Oder würde man einen gnadenlosen Optimisten als Sicherheitsexperte für ein Atomkraftwerk einstellen?

(Dr. Denis Mourlane)