Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen das bestmögliche Webseitenerlebnis zu bieten. Wenn Sie weitersurfen, akzeptieren Sie unsere Cookie-Richtlinien.

Norbert Marschall auf Xing Norbert Marschall auf Linkedin Norbert Marschall auf Facebook Norbert Marschall auf YouTube Norbert Marschall per EMail

 


Das Bonbon-Prinzip

Wer halbwüchsige Kinder hat, der mache das folgende Experiment: Man erzählt auf einem Kindergeburtstag eine spannende Geschichte von Piraten, Drachen und einem versunkenen Schatz. Anschließend stattet man die Kinder mit Malutensilien aus und lässt sie Bilder zur Geschichte malen. Die Kinder werden sich auf das Papier stürzen und Piratenbuchten, Seeungeheuer und detaillierte Flotten von Piratenschiffen malen. Nun variiert man das Experiment und führt ein Anreizsystem ein. Für jedes fertige Bild bekommt das Kind ein Bonbon. »Hurra!«, zunächst ist die Begeisterung groß, doch man wird sehen, wie schlagartig zwei Typen von Kindern sichtbar werden: Die Künstlerpersönlichkeiten werden mit gleichbleibendem Eifer an ihren Kunstwerken weiterarbeiten und sich auf die in Aussicht gestellte Belohnung freuen. Die Unternehmerpersönlichkeiten werden in die Massenproduktion einsteigen, und nach dem Motto »Punkt, Punkt, Komma, Strich - fertig ist das Mondgesicht« werden Bilder mit nachlassender Sorgfalt, dafür aber schneller produziert. Als Zeichen ihres Erfolgs werden die erhaltenen Bonbons vor sich aufgetürmt. Die schwer arbeitenden Künstlerpersönlichkeiten werden aus den Augenwinkeln die Bonbonberge sehen und die Lust am Malen verlieren. Sie werden sich dem Verhalten der Unternehmerpersönlichkeiten anpassen und nun ebenfalls schneller, dafür aber schlechter malen. Innere oder intrinsische Motivation wurde durch äußere oder extrinsische ersetzt.
In der letzten Phase des Experiments erklärt man den Kindern, dass der Vorrat an Bonbons erschöpft sei. Schlagartig werden nicht nur die Unternehmerpersönlichkeiten, sondern auch die Künstlerpersönlichkeiten ihre Motivation verlieren. Es wird ein Crowding-out stattfinden: Die intrinsische Motivation, das heißt das Interesse an der Sache selbst, wird durch extrinsische Anreize verdrängt. Fehlen diese Anreize, so werden auch die ursprünglich motivierten Kinder ihren Spaß an der Sache verlieren.


Monetäre Anreizsysteme, die über ein übliches Mindestgehalt deutlich hinausgehen, wirken wie Bonbons: Mitarbeiter verlieren die Lust an der eigentlichen Aufgabe, das heißt an dem Projekt als solchem. Stattdessen wird für Bonus und Zielerreichung gearbeitet. Dies funktioniert oft gut bei Angehörigen des Vertriebspersonals, aber schlecht bei kreativen, innovativen Mitarbeitern. Ein wettbewerbsfähiges Gehalt ist ein »Hygienefaktor«, dessen Fehlen zu Unzufriedenheit führt, der aber bei hoher Ausprägung keineswegs nachhaltige Begeisterung bei den Mitarbeitern auslöst.
Es gibt zwei Arten zu motivieren: Man kann Mitarbeitern Aufgaben übertragen, die sie lieben, oder Arbeiten, die sie hassen, dafür aber Anreize, die sie lieben. Letzteres, die extrinsische Motivation, führt im Fall von Tätigkeiten, die Kreativität erfordern, nicht sehr weit. Sind lediglich die Anreize motivierend, so erledigen wir Menschen das Nötigste mit Fleiß, nicht aber mit Schaffensfreude.


(Quelle: "33 Erfolgsprinzipien der Innovation")