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Die sieben Grundprinzipien des Coachens

Ein Coach ist kein Rezeptgeber oder Lösungslieferant, er ist Befähiger und Ermöglicher. Dies unterscheidet seine Arbeit von der eines Trainers.

Die Arbeit als Coach setzt ein anderes Selbstverständnis sowie Verständnis von der Wirklichkeit voraus als dies zum Beispiel bei Trainern der Fall ist. Coaching zeichnet sich demnach durch folgende Grundprinzipien aus:

Niemand ist schuld an einer Situation

Im Mittelpunkt der Coaching-Arbeit stehen der Klient und sein Beziehungssystem. Systemische Sichtweisen sind bemüht, die Probleme von Menschen im Kontext ihrer biographisch bedingten Entwicklung sowie sozialen Vernetzung in ihrem privaten, beruflichen und gesellschaftlichen Umfeld zu verstehen. Zirkularität bedeutet in diesem Kontext: In komplexen, sozialen Prozessen – wie zum Beispiel bei der Zusammenarbeit in Unternehmen – kann zwischen Ursache und Wirkung nicht klar unterschieden werden, denn jedes Verhalten einer Person wirkt auf das der relevanten Mitglieder ihrer Umwelt, und deren Reaktionen wiederum auf die Person zurück.

Zirkularität negiert somit eine lineare Kausalität, die Voraussetzung für das Identifizieren von Verursachern ist. Folglich geht es beim Coachen nie um die Suche nach Schuldigen beziehungsweise den Auslösern einer Situation, weil alles mit allem verbunden ist. Vielmehr ist das Veranschaulichen und Verändern von Kommunikations-, Wahrnehmungs- und Interpretationsstrukturen ein wesentliches Ziel system-orientierter Modelle.

An die Stelle linearer Betrachtungsweisen – also A verursacht B – treten zirkuläre, kreisförmige Betrachtungsweisen: A wirkt auf B, und B wirkt auf A zurück. Es geht also um Wechselbeziehungen. Die Maxime lautet: Blicke weiter, schaue auf das Ganze.

Neutralität gegenüber Sichtweisen und Werten

Neutralität ist eine wichtige Haltung von Coachs. Sie beinhaltet eine gelassene Neugier gegenüber allen Sichtweisen, Erklärungen und Werten – und seien sie dem Coach noch so fremd. Neutralität zeigt sich auch in der Allparteilichkeit, also im Bestreben, alle Mitglieder des Systems aus ihrer Perspektive heraus zu verstehen und ihre Sichtweisen wertzuschätzen. Zuweilen ist es sinnvoll, als Coach auch gegenüber Problemen und dem Wunsch nach Veränderung neutral zu sein. Fragen, die eine entsprechende Neutralität signalisieren, sind unter anderem: Wie würde Herr/Frau X das beschreiben? Was spricht dafür, alles so zu belassen, wie es ist?

Das Prinzip der Allparteilichkeit hat jedoch Grenzen. Coachs haben als Konfliktlotsen auch die Aufgabe, ihre Klienten zu ermächtigen, sich gegen ungerechte Strukturen zu wehren – die zum Beispiel eine ökonomische, politische oder soziale Benachteiligung bewirken. Also müssen sie beim Prinzip der Neutralität darauf achten, wann eine andere Grundhaltung der Situation angemessener ist.

Grundhaltung des Nicht-Wissens

Hiermit ist nicht gemeint, dass Coachs so tun, als wüssten sie nichts. Vielmehr bezieht sich diese Grundhaltung auf die Art des Umgangs mit ihrem Wissen. Coachs formulieren und artikulieren Hypothesen nicht aus der überlegenen Haltung eines Experten heraus, der mehr als der Klient weiß, sondern aus der bescheidenen Haltung des Nicht-Wissens. Hintergrund: Coachs wissen nicht, was das Beste für ihre Gesprächspartner ist. Das müssen diese selbst entdecken.

Außerdem kennen oder erahnen Coachs aufgrund ihrer Erfahrung zwar mögliche Lösungen des Problems. Sie wissen jedoch nicht, was die beste Lösung für ihren Klienten ist – schließlich sind Coachs keine Rezeptgeber oder Lösungslieferanten, sondern vielmehr Befähiger und Ermöglicher.

In Zwangskontexten ist es besonders wichtig, die Grundhaltung des Nicht-Wissens einzunehmen und auch durchzuhalten; außerdem in Situationen, in denen der Coach vom Klienten als Experte, sprich Problemlöser angesehen wird. Hierbei können Coachs zwar eine eigene Meinung kundtun oder Einschätzung geben, diese sollte jedoch stets als vorläufige sowie zu überprüfende und gegebenenfalls revidierbare gekennzeichnet sein.

Wertschätzung und Respekt für die Person

Ein systemisches Coaching setzt Respekt und Wertschätzung für den Klienten als Person voraus. Diese Haltung ist die Basis für eine fruchtbare Zusammenarbeit. Die nötigen Impulse zur Veränderung hingegen können in einigen Fällen durch die Respektlosigkeit des Coachs dem Problem des Klienten und seinen Symptomen gegenüber kommen. In vielen Fällen ist das sogar notwendig.

Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Beziehung zwischen Coach und Klient für den Klienten erkennbar und erfahrbar von Respekt und Wertschätzung geprägt ist. Sonst besteht die Gefahr, dass der Klient die Respektlosigkeit gegenüber seinem Problem als Ausdruck mangelnder Wertschätzung seiner Person interpretiert.

Lösungsorientierung und Ressourcenorientierung

Beim systemischen Coaching erfolgt eine Fokusverschiebung vom Individuum hin zum Kontext der Problementstehung. Eine Kernfrage lautet: Wer ist an der Problemerzeugung und am Aufrechterhalten des Problems beteiligt? Lösungsorientierung bedeutet: Der Fokus wird vom Problemsystem zum Lösungssystem verlagert: Wer (und was) ist wichtig für die Lösung des Problems? Der amerikanische Psychotherapeut und Fachbuchautor Steve de Shazer hat die Lösungsorientierung zu einer eigenen Beratungsform ausgebaut. Dabei geht es um die folgenden standardmäßigen Fragen:

    Angenommen, Ihr Problem ist gelöst: Was ist dann anders?
    Welche Ausnahmen vom Problem gab es?
    Wann und wo war das?
    Was war damals anders?

Solche Fragen verlagern den Schwerpunkt der Aufmerksamkeit vom Problem und dem, was nicht funktioniert, hin zur möglichen Lösung. Außerdem wird nach Ressourcen gefragt: Welche Beteiligten haben welche Fähigkeiten, Stärken, kraftvollen und „gesunden“ Seiten?

Ressourcenorientierung bedeutet: Coachs gehen davon aus, dass ihre Klienten die erforderlichen Möglichkeiten und Potenziale haben, ihre Probleme selbst – oder mit selbst organisierter Unterstützung – zu lösen. Doch es gibt Ausnahmen, weshalb ein weiteres wesentliches Coaching-Prinzip lautet: einen Unterschied machen, der einen wirklichen Unterschied macht. Für Coachs heißt das: Sie sollten sich in Klienten-Gesprächen zum Beispiel fragen, ob es zielführend ist, den Blick vor allem auf die Ressourcen zu richten oder lieber das reale Problem zu analysieren und zu bearbeiten?

Orientierung am Klienten

Coachs sind persönliche Dienstleister, die für ihre Leistungen bezahlt werden. Folglich orientiert sich der Coaching-Prozess primär an den Interessen und Zielen ihrer Klienten und nur sekundär an ihren eigenen Zielen.

Ein zentrales Element des Coachings ist deshalb die Klärung der Aufträge der Klienten. Diese werden so weit operationalisiert, dass möglichst allen Beteiligten klar wird, wie die Zielerreichung aussieht und woran man sie erkennt. Ob und wann das Ziel erreicht ist, entscheidet jedoch der Klient. Er ist der Experte in Bezug auf die Inhalte der Beratung, denn nur er kennt seine Probleme. Folglich ist er auch der Experte für seine Lösungen – der Coach hingegen ist nur der Experte für den Prozess.

Die Wirklichkeit ist eine subjektive Konstruktion

Gefragt wird im systemischen Coaching nicht danach, wie es „wirklich“ ist, sondern nach Ideen und Bedeutungsgebungen. Die „Wirklichkeit“ wird nämlich stets als eine subjektive, also vom Individuum selbst konstruierte erachtet, in die individuelle Erfahrungen und Werte einfließen. Die Probleme sowie deren Symptome werden im Zusammenhang mit erstarrten Wirklichkeitskonstruktionen gesehen, aus denen der Klient sich ohne Unterstützung nicht oder nur schwer lösen kann. Aufgabe des Coachs ist es, dem Klienten neue Perspektiven und Sichtweisen und somit neue Möglichkeiten zu eröffnen. Es ist nicht seine Aufgabe, „falsche“ durch „richtige“ Wirklichkeitskonstruktionen zu ersetzen!

Systemische Praxis wird in Anlehnung an Heinz von Foerster, einem Mitbegründer der kybernetischen Wissenschaft, oft mit dem Leitmotiv „anders sehen – anders handeln“ verbunden. Eine vom Beobachter unabhängige Wirklichkeit gibt es beim systemischen Coaching nicht beziehungsweise ist uns Menschen nicht zugänglich. Denn alles, was wir wahrnehmen, was um uns passiert sowie was andere tun, hat immer auch mit uns zu tun beziehungsweise damit, wie wir die Ereignisse und Wahrnehmungen interpretieren. Unsere subjektive „Wirklichkeit“ ist somit auch eine Reaktion auf unser Dasein und Verhalten.

 

(Quelle: S. Prohaska)